Erklärung des Zentralkomitees, Dezember 1998


"Tut nichts! Der Jude wird verbrannt ... Ja, wär allein
Schon dieserwegen wert, dreimal verbrannt
Zu werden!"1
oder:
Warum das Holocaustdenkmal sofort errichtet werden muß

English version:
"Burn, Jew, burn"
Or: Why there is one choice only - to build the holocaust memorial immediately
Im Land der Dichter und Denker bekommt man einen Friedenspreis, weil man es fertigbringt zu sagen "... weil ich jetzt wieder vor Kühnheit zittere, wenn ich sage, Auschwitz eignet sich nicht dafür, Drohroutine zu werden, jederzeit einsetzbares Einschüchterungsmittel oder Moralkeule..."2
In diesem Land beschimpft ein Herr von Dohnanyi Arm in Arm mit dem Rest der Dichter und Denker Ignatz Bubis, weil er Walser einen geistigen Brandstifter nennt. In diesem Land ist es kein Fall für die Gerichte, wenn Dohnanyi den Ignatz Bubis öffentlich fragt, ob sich die Juden damals soviel tapferer als die Deutschen verhalten hätten, wenn nicht sie, sondern andere Gruppen in die Vernichtungslager verschleppt worden wären. In diesem Land will man endlich wieder normal sein, und deutsche Normalität beginnt mit der Auschwitzlüge und dem Friedenspreis dafür. Es hat auf deutschem Boden einen einzigen Versuch gegeben, die Wiederholung von Auschwitz unmöglich zu machen: Im nächsten Jahr wird es fünfzig Jahre her sein, daß mit der Gründung der Deutschen Demokratischen Republik dieser Versuch gemacht wurde. Und es wird zehn Jahre her sein, daß mit der Annexion der DDR dieser Versuch beendet worden ist. Der Dichter Walser will, daß das endlich aus unserem Gedächtnis gestrichen wird, zusammen mit jeglicher Erinnerung an Auschwitz: "In der Diskussion um das Holocaustdenkmal in Berlin kann die Nachwelt einmal nachlesen, was Leute anrichten, die sich für das Gewissen von anderen verantwortlich fühlen. Die Betonierung des Zentrums der Hauptstadt mit einem fußballfeldgroßen Alptraum. Die Monumentalisierung der Schande."3
Bundeskanzler Schröder will sogar, daß man sich solch "einem Holocaustdenkmal mit Freude nähert".4
Für Herrn Walsers oder Herrn Schröders Gewissen fühlen wir uns nicht verantwortlich, wohl aber für unser eigenes. Wir sind verantwortlich dafür, daß sich die monumentale Schande deutscher Normalität nie wiederholt. Deswegen und gegen die Politiker der deutschen Normalität fordern wir, daß das Holocaust-Mahnmal nach dem Entwurf von Peter Eisenman errichtet wird. "Nehmen Sie alle Städte der Welt und prüfen, ob es irgendwo ein Denkmal gibt für Schande. Ich kenne kein einziges. Es gibt für so etwas Entsetzliches wie den Holocaust keine öffentlichen Denkmäler, und es sollte sie auch nicht geben." (Walser)5 Es muß dieses Denkmal geben. Und wär' es nur, um den letzten Rest von Vernunft und Anstand zu retten gegen jene, die zur deutschen Normalität und damit zu Auschwitz zurückkehren wollen.

1 G.E. Lessing, Nathan der Weise
2 Martin Walser, Dankrede aus Anlaß der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels ("Erfahrungen beim Verfassen einer Sonntagsrede") am 12. Oktober 1998 in der Frankfurter Paulskirche, zit. in Blätter ... 1/99, S. 118
3 Martin Walser, Dankrede..., in: Blätter... 1/99, S. 119
4 Gerhard Schröder, ZDF Dezember 1998
5 Martin Walser, zit. in Konkret 10/98, S. 49