1.Mai Kampftag der Arbeiterklasse

ARBEITER
aufgewacht
und erkenne
DEINE MACHT

Die Macht der Kapitalisten kommt von den Arbeitern.
Eine neue Erkenntnis ist das nicht in der Arbeiterbewegung. »Die Bedingung des Kapitals ist die Lohnarbeit. Die Lohnarbeit beruht ausschließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter sich.« (1848, Manifest der Kommunistischen Partei)
Daher kommt die Macht der Unternehmer: die Macht auszubeuten, die Macht, sich aus unseren Sozialkassen zu bedienen und die Macht, Kriege zu führen. Es ist immer die Macht, die die Arbeiter ihnen lassen.
Es ist die größte Furcht der Kapitalisten etwa in der Tarifrunde, daß die Arbeiter diese Macht auch nur zu ahnen beginnen und ginge es um die Butter auf dem Brot und um 6,5 Prozent mehr Lohn. Es ist ihre größte Furcht, daß die Arbeiter diese Macht etwa in Urabstimmungen ihrer Klasse abfragen und im Streik organisieren. Nicht, weil die Unternehmer die Butter und die 6,5 Prozent nicht herausrücken könnten. Sondern weil sie ahnen, was ein preußischer Finanzminister im 19. Jahrhunderts wußte: »Hinter jedem Streik lauert die Hydra der Revolution«, lauert die Möglichkeit für die Arbeiter, eben nicht mehr mit ihrer Macht die der Kapitalisten zu stützen, die Möglichkeit, mehr zu wollen und zu erreichen als die 6,5 Prozent oder die Butter.
Es ist die große Furcht der Kapitalisten, auch in jeder Tarifrunde, daß die Arbeiter sich nicht weiter auf den Handel einlassen, der jahrzehntelang zu funktionieren schien: Die Arbeiter wenden ihre Macht nicht an. Sie organisieren sich nicht. Sie überlassen ihre Gewerkschaften gekauften Handlangern und nehmen das Verbot ihrer kommunistischen Partei billigend in Kauf. Im Gegenzug verspricht das Kapital ihnen ein einigermaßen anständiges Auskommen. Ganz zweifellos werden die Arbeiter diesen Handel aufkündigen. Denn in der Wirklichkeit ist solcher Handel tödlich.
Dieses Deutschland liegt im Krieg, und Europa brennt. »Kaum hatten die Deutschen 1990 ihre Einheit wieder erlangt, war Schluß mit dem Dauerfrieden.« (Spiegel 11/02) Seither macht die neue Wehrmacht wahr, was sie der alten in die Hand versprochen und den Völkern angedroht hat: sie werde »nicht hinter den Leistungen der Wehrmacht zurückstehen«. (Generalmajor Werner von Scheven bei der Übernahme der DDR-Armee durch die Bundeswehr) Seither läßt der deutsche Militarismus kaum eine Weltgegend aus, in die er seit Wilhelm zwo je einen Fuß gesetzt hat, vom Balkan bis Afghanistan.

Europa brennt, und Deutschland hat es angezündet

Elf Jahre deutscher Balkankrieg, und »wir« haben dort wieder »unsere« Protektorate. Durch die von Krediten der deutschen Bank, von Euroregionen und Infiltration aufgerissenen Grenzen Osteuropas strömen deutsche Bürgermeister und Landräte, deutsche Polizei, deutsche Truppen, deutsche Grundstücksspekulanten und Großgrundbesitzer und deutsche Ausbeuter. »Eine Ausweitung des deutschen Raumes nach Osten und Südosten Europas erscheint mir derzeit nicht durch Verschiebung der Ostgrenzen möglich, aber durch deren weitgehende Auflösung«, hatte 1931 der Monopolist Stinnes an Adolf Hitler geschrieben. Ein Rat, der spät befolgt wird. Das bringt zu Beginn der 21. Jahrhunderts den Bundesgrenzschutz an die polnische Ostgrenze, eine deutsche Brigade nach Szczecin, die GSG 9 in osteuropäische Ausbildungslager und bayerische Einheiten von Bayreuth nach Plzen. Hinter einem österreichischen Kanzler und einem deutschen Kanzlerkandidaten marschiert die 5. Kolonne Großdeutschlands. Sie verlangt nicht weniger als die Aufhebung der Grundlagen des tschechischen Staates und die Freiheit der Landnahme und der Infiltration für die Nachfolger der weißbestrumpften »Sudetendeutschen«, die 1938 91,4 Prozent ihrer Stimmen für den Faschismus und die deutsche Okkupation abgaben.
Schwedens fast 200 Jahre alte Neutralität ist aufgehoben, Österreichs Neutralität verdampft in den Manövern des Jahres 2002, in denen erstmals wieder österreichische Truppen auf polnischem Territorium stehen. Deutsche Truppen stehen an der russischen Grenze, deutsche Protektoratspläne für Albanien, Rumänien, Bulgarien, Griechenland und Ungarn werden offen ausgebreitet in großen deutschen Tageszeitungen (so in der Frankfurter Allgemeinen vom 18.7. 2001). Angesichts schuldentreibender deutscher Rüstungsausgaben läßt der deutsche Kanzler der Europäischen Kommission bestellen, die Verträge zur Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion könne sie sich sonstwohin stecken.
So hat Großdeutschland Europa bis zu einer Kenntlichkeit verändert, die uns aus Vorkriegszeiten vertraut ist. Das Europa, vom Volk jahrzehntelang als friedlicher Kontinent erträumt, existiert nicht. Die Barrieren gegen deutsche Aggression, errichtet nach dem Sieg der Panzer der Anti-Hitler-Koalition, die Barrieren, die der deutsche Arbeiter im Vertrauen auf das Stillhalteabkommen mit seinen Herren nicht glaubte verteidigen zu müssen, diese Barrieren fallen eine nach der anderen. Preußen, als Hort des deutschen Militarismus im Potsdamer Abkommen aufgelöst, soll wieder erstehen. Der deutsche Generalstab, auf immer verboten durch eben dieses Abkommen, ist schon wieder da.
Noch vor gar nicht so langer Zeit hätte man in solcher Lage vom Krieg gesprochen. Heute spricht man vom Krieg. Die konservative tschechische Demokratische Bürgerpartei redet von der »Achse des Bösen«. »Sie werde durch München, Wien und Budapest gebildet. Von diesen drei Staaten werde Druck auf Prag ausgeübt, auf Gesetze zu verzichten, die Grundlage des europäischen Friedens seien.« (FAZ, 9.3.02) Von der »politischen und ökonomischen Destabilisierung Europas« liest man in der größten tschechischen Tageszeitung, von der Umwandlung der Tschechischen Republik in eine »deutsch-tschechische Republik« und auch davon: daß ein Erfolg der Sudetendeutschen Landsmannschaft »in einem Krieg enden würde« (zitiert in FAZ, 11.3.02).

An wem liegt es, wenn die Unterdrückung bleibt?
An uns.

Den Krieg bezahlt der Arbeiter, schon jetzt. Wer glaubt, auch nur auf die kleinste Freiheit verzichten zu können, der bezahlt auch noch mit dem Brot und mehr dafür. Was »Arbeit um jeden Preis« z. B. bedeutet, erfuhren wir doch schon einmal, ebenfalls in Zeiten großer Krise. »Arbeit um jeden Preis« hieß Reichsarbeitsdienst und Tod in Stalingrad. Wie oft muß solche Erfahrung gemacht werden?
Die größte Furcht der Kapitalisten ist, daß die Arbeiter aus den längst gemachten Erfahrungen die Lehre ziehen. Daß sie das Fundament gießen für die so nötige Allianz der Völker gegen den deutschen Kriegstreiber. Auf diesem Fundament hätte zu stehen, was Regensburger Automobilarbeiter am 1. Mai vergangenen Jahres in ihre Beschlüsse schrieben und auf die Demonstration der Gewerkschaften trugen: »Proletarier aller Länder vereinigt euch!« Und: »Wir werden nie mehr gegen die Arbeiter anderer Länder die Waffen erheben.«
Die Rede ist von ganz einfachen Dingen. Nicht nur die Freiheit von Faschismus und Krieg, die wir Jahrzehnte für gesichert hielten, sondern auch das Brot, das wir gegessen haben, die Gesundheit, die wir uns leisten konnten, die Rente, an der wir nicht gezweifelt haben all das war dem zu verdanken, daß die Arbeiter der Sowjetunion und ihre Rote Armee und die Panzer und Geschütze der Anti-Hitler-Koalition Großdeutschland geschlagen hatten. Weil da die Arbeiter anderer Länder für uns gesiegt hatten, stellt sich das nun als dünner Boden heraus.
So wird großdeutsche Kriegspolitik des 21. Jahrhunderts wieder vom Arbeiter finanziert: mit seinem Lohn, seiner Gesundheit und seiner Rente. Wo Raubzüge organisiert werden (siehe oben) braucht nicht bezahlt zu werden, und schon gar nicht an den Arbeiter im eigenen Land. Wo der Raub sich als Pleite erweist wie bei der Annexion der DDR (eine Pleite nicht für die einzelnen Monopole, wohl aber für die Lügner der »blühenden Landschaften« und für das Volk, das diesen Lügnern glaubte), wird der nächste angepackt. Der Arbeiter zahlt doppelt: die Pleite und den kommenden Krieg. Mit jedem außenpolitischen »Erfolg« wird die Sache teurer. 90 Milliarden Euro pro Jahr hat die Annexion der DDR gekostet, Subventionen für die Kapitalisten. Sie stammten unter anderem aus den Arbeitersozialkassen. Seit der Annexion der DDR geht s bergab, auf jeden Fall mit den Reallöhnen, um offizielle vier Prozent inzwischen. Dafür sind allein zwischen 1996 und 1999 die Vermögen der Reichen von 1720 Milliarden Euro auf 2000 Milliarden Euro (2.000.000.000.000 Euro) angewachsen. Nicht nur, aber auch so läßt sich ausrechnen, wer bezahlt.
Dein Geld ist weg, und auch nur für die Chance, etwas wiederzukriegen, mußt du weiter bluten. Wenn dir das zu weit hergeholt scheint: genau das ist mit deinen Rentenansprüchen passiert, genau das ist das Wesen der Riesterrente! Letztendlich freilich wirst du es dir holen sollen als Besatzer in anderen Ländern. Nicht nur Lohnarbeit und Kapital, sondern auch alle mörderischen Folgen der Herrschaft des einen über die andere beruhen auf der Konkurrenz der Arbeiter untereinander. Diese Konkurrenz macht sie so lange und immer wieder zu Mördern an ihresgleichen, bis die Arbeiter selbst Schluß machen damit.
Eichels »ausgeglichener Haushalt« gilt nicht für die Monopole und ihre Generalität. Scharpings Rüstungsforderung, nicht länger »Anhängsel der Amerikaner« zu sein, wird in den nächsten 15 Jahren 110 Milliarden Euro zusätzlich kosten (»Spiegel« 11/02). Die soll das Volk bezahlen, denn die Kapitalisten zahlen keine Steuern mehr. Sie bekommen zurück: RWE 400 Millionen Euro, die Dresdner Bank 129 Millionen, Vodafone 250 Millionen, Bayer 250 Millionen, die Telekom 1,4 Milliarden. Allein in Stoibers Bayern sind es für das abgelaufene Jahr 3,6 Milliarden Euro Steuerrückzahlungen. (»Spiegel« 4/02) Der Arbeiter aber soll sich nicht so anstellen. Hart wie Kruppstahl soll er werden. Es dürfe künftig im Gesundheitswesen »keine Vollkaskotarife mehr für jedes Zipperlein geben«, sagt Wolfgang Schäuble. Der ist übrigens zuständig für das Programm der ersten 100 Tage einer Regierung Stoiber.

An wem liegt es, wenn sie zerbrochen wird?
Ebenfalls an uns.

(Bertolt Brecht, Lob der Dialektik)
Die oder wir, das ist die Frage, und wer, wenn nicht wir kann sie beantworten. Auf ein Halten kann nicht gewartet werden. Der Preis des Stillhaltens, präsentiert von den verschiedenen Statthaltern der bürgerlichen Klasse, wird so aussehen: Abschaffung der Arbeitslosenhilfe und Pflicht zur Aufnahme jeder Arbeit, auch wenn der Lohn unter der Sozialhilfe liegt, Streichung von Sozialhilfe für arbeitsfähige Empfänger (Finanzminister Eichel); Verlust der Stütze bei der ersten Ablehnung einer angebotenen Stelle (Deutscher Industrie- und Handelskammertag); generelle Befristung des Arbeitslosengeldes auf ein Jahr (der neue Chef der Bundesanstalt für Arbeit); staatlich verordneter Lohnabbau durch Kombilohn-Modelle (rot-grüne Bundesregierung) Brünings Notverordnungen und der Reichsarbeitsdienst lassen grüßen. Die Wehrmacht grüßt zurück: »Würde die Wehrpflicht abgeschafft, fielen dem Steuerzahler statt der Rekruten und Zivis gleich 300 000 jugendliche Arbeitslose zur Last.« (Generalinspekteur Kujat laut »Spiegel« 11/02) Man kann ja sagen, was man will, immerhin hat der Führer die Arbeitslosen von der Straße gebracht!
In Krise und Militarismus stirbt die bürgerliche Demokratie, jede Woche mehr, und ohne daß da ein Halt wäre, den nur das Volk gebieten kann gegen Regierung und Kapital. Das Budgetbewilligungsrecht des Parlaments, wenigstens pro forma eingehalten selbst beim Flottenprogramm Kaiser Wilhelms der unsägliche Scharping hebt es auf. Im Namen des »Kampfs gegen das Böse« werden hierzulande Zigtausende ausspioniert, wird mit der Aufhebung der Trennung von Polizei und Geheimdienst die Gestapo wieder in Amt und Würden gebracht, werden Menschen anderer Nationalität und ihre Organisationen zur Hetzjagd ausgeschrieben. (Das neue Zuwanderungsgesetz, ganz nebenbei, verstößt dann gleich in mehreren Punkten gegen das Völkerrecht.) Die staatliche Überwachung infiltriert die Arbeiter im Betrieb und an der Stempelstelle. Dort begegnet sie dann den Militaristen, die schon da sind, auf die Kooperationsverträge mit der Bundeswehr pochen und Jungarbeiter für den Krieg keilen.
Und so weiter, und so fort.
So ist die Lage an diesem 1. Mai. Wenn wir über unsere Fahnen und Transparente schauen an diesem 1. Mai 2002, dann ist die erste Voraussetzung, die Lage zu ändern nichts anderes als: diese Lage unumwunden und laut und deutlich festzustellen. Sündenböcke brauchen wir nicht; nicht »die Amerikaner«, nicht »die Terroristen«, und schon gar nicht »die Juden« oder »die Ausländer«. Sündenböcke braucht, wer die Dinge ändern könnte, es aber nicht will. Der Hauptfeind steht nicht in Washington, nicht in Prag oder Warschau, auch nicht in Mazedonien, Jugoslawien oder Afghanistan. Er steht im eigenen Land, und hier ist er anzugreifen. Dies allein ist Haltung und Tat, einer Klasse würdig, die allen Reichtum schafft und alle Schlüssel zu einer besseren Welt in Händen hält.

Welche Wahl haben wir bei den Wahlen?

Geschlagene Armeen lernen gut, sagt man. Unzweifelhaft wurden die Arbeiter mit den Wahlen 1998 geschlagen. Letzten Endes haben sie sich selbst geschlagen, aber nicht am Wahltag im September 1998. Geschlagen haben sie sich vorher, als sie glaubten, ein paar Millionen Mark Werbeetat vom DGB und des Kandidaten Sprüche von »Innovation und Gerechtigkeit« seien ein Garant für ein besseres Leben. Und geschlagen haben sie sich nachher, als sie den Kriegseintritt in Jugoslawien hinnahmen, den, seien wir ehrlich, ein paar Tage Generalstreik unmöglich gemacht hätten. Allenfalls haben sie die Faust im Sacke geballt, als ein Finanzminister Lafontaine demissionierte, der nicht in den Krieg ziehen, aber wenigstens ein paar Krümelchen Sozialstaat retten wollte.
Es stellte sich dann heraus, daß die SPD eine Kriegspartei ist. Freilich weiß das die Arbeiterbewegung seit Jahrzehnten, genauer: seit der Zustimmung der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion zu den Kriegskrediten im August 1914. Danach konnte das Reich sich einen ersten Weltkrieg lang der sozialdemokratischen Partei einigermaßen gewiß sein, solange es nur Rosa Luxemburg, Karl Liebknecht und ihresgleichen in die Festung steckte.
Es stellte sich weiter heraus, daß die SPD eine Partei des Kapitals ist. Auch dies keine Enthüllung angesichts der Geschichte unserer Klasse, die Ereignisse kennt wie den sozialdemokratischen Verrat an der Revolution von 1919, das Feuer eines sozialdemokratischen Polizeipräsidenten auf Berliner Arbeiter am 1. Mai 1929 und die Hilfestellung der SPD bei Erhalt und Sicherung der Unternehmermacht nach 1945. Solche Arbeitergeschichte bietet tausend Gründe, Kommunist zu werden. Für eines freilich bietet sie auch nicht einen Grund: am 22. September zu Hause zu bleiben und damit dem ausgewiesenen Rassisten und Gewerkschaftsfeind Stoiber zu helfen.
Eines nämlich konnte sich nicht herausstellen bei den Wahlen 1998; das war der Unterschied zwischen den bürgerlichen Parteien. Er konnte sich nicht herausstellen und konnte nicht ausgenutzt werden, weil die Arbeiter es bei den 14 Millionen Mark vom DGB und den flotten Sprüchen Schröders bewenden ließen. Die Macht seiner Klasse, die so mancher Arbeiter gar nicht so ungern delegieren möchte bei den Wahlen zum bürgerlichen Parlament, sie läßt ihn auch hier nicht los.
Denn der Unterschied zwischen Schröder und Stoiber, das sind die Arbeiter.
Schröder und seine Partei funktionieren für das große Geld. Aber sie tun es nur, weil und so weit sie Einfluß auf die Arbeiter haben. Als zu Beginn der 30er Jahre die Monopole und ihre Generalität diesen Beschiß nicht mehr wollten oder brauchten, oder als er ihnen nicht mehr hinzureichen schien, die Ruhe an der Heimatfront zu halten, da landeten die sozialdemokratischen Führer, auch sie, im Exil oder im KZ.
Dies nicht zur Kenntnis zu nehmen, unter Verweis auf die Schande der Sozialdemokratie zu Hause zu bleiben am Wahltag, das ist nichts als die Kehrseite der Haltung, die SPD zu wählen, weil sie nicht die CDU ist, und ansonsten auf bessere Einsichten im Willy Brandt-Haus zu warten. Beides heißt, sich abzufinden mit der eigenen Ohnmacht. Beides heißt, die Politik der anderen Klasse zu überlassen, sich zu Bier und Kartoffelchips zu verabschieden und ansonsten den Wahlausgang abzuwarten wie die deutsche Fußballmeisterschaft: es ist einem vielleicht nicht Wurst, was dabei herauskommt, aber machen kann man auch nichts!

Wer kämpft, hat die Wahl.
Wer nicht kämpft, hat schon verloren.

Richtig ist, daß die Proleten die Welt nicht verändern werden am 22. September. Falsch ist, daß sie nichts zu sagen hätten am Wahltag. Arbeiter, die um die Butter auf dem Brot und gegen Mord und Tod im Krieg kämpfen, werden im Westen dieses durch die Annexion von 1989 in zwei Länder gespaltenen Großdeutschland gegen Stoiber die Sozialdemokratie wählen und sie stützen müssen aber auch stützen können wie der Strick den Gehenkten. Sie werden im annektierten Land wie bei der Berliner Senatswahl PDS wählen und durch die Wahl der Partei des Ostens demonstrieren müssen aber auch demonstrieren können , daß da nicht nur in der Stadt Berlin, sondern im ganzen Land keine »deutsche Einheit« ist; daß da kein Abfinden ist mit dem Raub des gesellschaftlichen Reichtums durch die westdeutschen Monopole, mit der Zerschlagung der Fabriken, dem Ruin der Landwirtschaft und der Demütigung all dessen, was einmal das bessere Deutschland ausgemacht hat.
Freilich: wer aus 1998 nichts lernen will, wem das Essen von heute und die Windeln von morgen, wem die Gesundheit und die Rente, wem die paar bürgerlichen Rechte, die wir haben, wem der Kampf gegen den Krieg, in den wir ziehen sollen, wem all dies keinen Streik, keinen Streit in Gewerkschaftsversammlungen, keine Demonstration auf den Straßen seiner Stadt wert ist dem läßt sich wenig raten für diesen 22. September. Dem kann der Wahlausgang egal sein. Er wird, so oder so, gegen ihn ausfallen. Wer den Wahltag für den Kampftag hält, hat schon verloren. Verloren hat freilich erst recht, wessen Machtwille nicht einmal bis zum Wahllokal reicht.
Ohne die Macht der Arbeiter ist jede Wahl eine Wahl der Bourgeoisie. Sie wird dann allenfalls entscheiden, ob sie die deutsche Erpressung mit Schröder weiter von Vasallenregierungen wie der ungarischen vorbringen läßt oder gleich vom Schirmherren der revanchistischen Landsmannschaften, der dann die CSU-Politik von »Heimat und Vaterland« vom Kanzleramt aus betriebe. Sie wird dann allenfalls entscheiden zwischen einer Außenpolitik, die z. B. die Prager Regierung durch die Absage einer Kanzlerreise brüskiert und einer, die da Klartext spräche: weg mit den Grundlagen tschechischer Souveränität.
Sie wird entscheiden, wieviel Raum sie dem braunen Gesocks um Schill, Lummer und Siegerist gibt, das für höhere Weihen bereit steht; das wußte sich vor Freude nicht zu lassen, als Merkel gegen das »blonde Fallbeil« verlor.
Ohne die Macht der Arbeiter geht diese Berliner Republik auf ihrem Weg in Krieg und Faschismus ein bißchen schneller nach rechts unter, vielleicht, einem Kanzler Stoiber. Zum Besseren hin geht sie nicht, und nach links geht sie nicht, und nach vorne hin zu Wohlstand und Frieden geht sie erst recht nicht unter, vielleicht, einem Kanzler Schröder ohne die Macht der Arbeiter. Über diese Macht wird nicht am 22. September entschieden. Um diese Macht geht es in den Tarifrunden, in den Kampagnen gegen die Plünderung unserer Sozialkassen, in den Betriebsratswahlen. Hier wird unsere Klasse feststellen können und feststellen müssen: daß ihre Macht viel weiter reicht als bis dahin, noch gerade selbst zu überleben im Kapitalismus. Daß sie Führerin des Volkes sein kann und die Führung übernehmen muß, gegen die Verelendung, gegen die Unfreiheit, gegen den Krieg. Für eine Welt des Proletariats, das ist: die Welt des Sozialismus!