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Letzte Änderung/Last change: Saturday, 31-Aug-2013 18:59:18 CEST
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Eine kapitalistische Katastrophe

und die völlige Mißachtung der Naturgesetze

Hat das Erdbeben in Japan, der dadurch ausgelöste Tsunami und die den beiden folgende faktische Zerstörung japanischer Kernkraftwerke das "Ende der Atomenergie" eingeläutet, wie es die bürgerlichen und kleinbürgerlichen Gegner der Nutzung der Kernenergie behaupten? Haben gar jene recht, die wie die Klassenversöhnler in den Gewerkschaften in der Arbeiterklasse den süßlichen Moralismus und Defätismus verbreiten: Da haben wir noch vor kurzem gedacht, die Weltwirtschaftskrise würde uns hart treffen - und nun zeigt uns "die Natur", was wirkliche Katastrophen sind, wie klein doch der Mensch ist, wie machtlos gegen die "Urgewalten". Wie sehr vereint uns doch über alle Klassengrenzen hinweg diese unsere Kleinheit und Machtlosigkeit gegenüber der Natur. So laßt denn die Klassenkämpfe fahren und beugt euer Haupt vor dem Unfaßbaren!

Mitnichten! Keinesfalls dürfen die Arbeiter, die allen Reichtum schaffen, mehr noch, die die Erbauer einer Welt bisher ungeahnter Entwicklung der Produktivkräfte sein werden - keinesfalls dürfen diese Arbeiter solch jämmerlichem Defätismus auf den Leim kriechen! Sondern die vom Kapitalismus und vom Menschen hervorgerufene Katastrophe in Japan dazu nützen: Daß der Materialismus in seinem dialektischen und historischen Verlauf gerade an der Katastrophe der Atomenergie in Japan erneut von uns verteidigt wird. Daß der Mensch eben nicht den Naturkräften unterliegt, sondern eben erst Mensch wird, wenn er sie beherrscht und mit ihren Gesetzen die Menschheit aus dem Tierreich befreit. Es ist also unsere Pflicht, unsere Haltung, wie sie in den späten 70er Jahren eingenommen wurde "Für Atomenergie und Sozialismus" 1 nicht nur zu verteidigen, sondern sie zu festigen unter den Massen gegen die sie heute bewegenden Hysterie. Das müssen wir den Arbeitern sagen.

Bestätigt doch gerade Japan und seine ganze Geschichte der Entwicklung der Produktivkräfte die Feststellung von Karl Marx, wonach die Menschheit sich immer nur Aufgaben stelle, die zu lösen sie imstande ist.2

Die Katastrophe in dem Atommeiler offenbart: die völlige Mißachtung der Naturgesetze z.B. darin, daß seit Jahrtausenden bekannt ist, daß Japan mit Erdbeben der Stärke 10 und darüber alle ca. 200 Jahre rechnen muß. Deshalb die Bilder z.B. von Hokusai (die große Welle), oder die vielen Tuschzeichnungen in den letzten tausend Jahren. Daß Japan auf einem Teil des Feuergürtels liegt, ist den japanischen Geologen nicht nur bestens bekannt, sondern ihre Kenntnis ist so groß, daß sie die möglichen Erdplattenverschiebungen in Zeiträumen und Stärke im vorhinein einigermaßen sicher berechnen können. (Wodurch wissen das die Geologen? Die Erde speichert ihre Geschichte. Z.B. in zehntausend Jahre alten Korallenstöcken, in denen nachgewiesen werden kann, daß ca. alle 200 Jahre in Japan ein Erdbeben der Stärke 9 und stärker stattfindet. Und daraus ergab sich und ergibt sich, daß die Geologen wußten, daß Japan seit längerer Zeit von einem Erdbeben der Stärke 9 und mehr unmittelbar bedroht ist.) Die Geologen sind aber nicht die einzigen, die ein umfassendes Wissen in der Frage der Geologie Japans besitzen. Sind es doch gerade die japanischen Statiker und Techniker, die in bewundernswerter Weise zeigen, daß die Naturkräfte, die unter ihren Füßen toben, vom Menschen beherrschbar sind. Die Beherrschung der Naturkräfte und der großen Beben beweisen die 30-40stöckigen Hochhäuser oder die kilometerlangen Brücken, die auch dem jetzigen Erdbeben standhielten. Das Wissen um die Statik, wie man baut auf einem Feuergürtel, ist ebenso in Japan ein Wissen über Tausende von Jahren. Die Besonderheit der japanischen Bauweise beruht eben gerade darauf. Zum einen historisch die Leichtbauweise, so wenig wie möglich mit der Erde verbunden zu sein, die besondere Ableitung der statischen Kräfte durch besondere Formen der Dächer (die vor 500 Jahren in Europa die Gothik aufgriff) und somit beruht die heutige Konstruktion der Hochhäuser, die keine festen Verbindungen mit der Erdkruste besitzen auf einem jahrtausendealten und ständig fortentwickeltem Wissen. Dieses Wissen, das in Hochhäusern, in der Verlegung der Infrastruktur (teilweise) in Anwendung kam und kommt, dieses Wissen ist völlig außer Kraft gesetzt bei der baulichen Konstruktion gegenüber den Atommeilern. Und nicht nur, daß dem havarierten Atommeiler die Schutzmauer gegenüber den großen Wellen (Tsunamis) fehlte, nicht nur deshalb, weil die technische Auslegung des havarierten Atommeilers zur Frage der Wasserspeicherung, der Elektrik ausgelegt wurde, als würde es in Japan kein einziges Erdbeben geben. Es ist also erschütternd die Mißachtung der Naturgesetze in der Technik der Atommeiler, die den Kapitalismus in seiner Negierung der Wissenschaft offenbart und zur menschlichen Barbarei verkommen läßt. Und die nicht auf Unwissenheit und Unerfahrenheit beruht, sondern die das vorhandene Wissen bewußt außer Kraft setzt, um des kleinen und schnellen Profits einer Gruppe von Kapitalisten wegen zum Schaden der Menschheit.

Jawohl, der Mensch ist imstande, die Naturgesetze zu begreifen und anzuwenden. Von der japanischen Atomindustrie aber sind sie sträflich vernachlässigt worden.3 Nach allem, was wir wissen, sind die Kernreaktoren fest mit dem Erdgrund verbunden; sind sie so nahe wie möglich an die Küste gebaut. All dies aus dem Interesse der geringsten Kosten und damit des größtmöglichen Profits. Es gab Demonstrationen in Japan für eine andere Bauweise von Atomreaktoren im Land, und gerade gegen diese Demonstrationen wurde mit äußerster staatlicher Gewalt vorgegangen.

Es war und ist eine zentrale Aufgabe der Menschheit, ständig nachzudenken über die Verwendung von Rohstoffen wie insbesondere ihre Verwendung für die Energiegewinnung. Daß bei dem Wissen und der Erkenntnis wie der Möglichkeit der Beherrschung der Produktivkräfte es blanker Unsinn ist, Ressourcen zu verwenden wie Öl, Kohle zur Energiegewinnung, sie somit für immer für die Menschheit außer Kraft zu setzen, sie für einen einmaligen Vorgang der Energiegewinnung für immer zu vernichten und sie für andere Möglichkeiten für die Entwicklung der Menschheit außer Kraft zu setzen - das ist eine Binsenweisheit. Rohstoffe, die nicht weniger selten sind, die aber eine höhere Energieausbeutung haben, wie z.B. das Atom, zu verwenden, ist ein menschlicher Fortschritt, wenn beachtet wird, daß die Natur noch weit mehr Möglichkeiten besitzt, wenn der Mensch sie hebt und gewinnt, als nur das Atom. Man muß bei Japan die Frage stellen, warum die Energiegewinnung in Japan ausschließlich und in der Mehrheit auf der Atomindustrie beruht. Man muß die Frage stellen: Gibt es andere Energieträger, die einem die Natur zur Verfügung stellt, die weniger menschliche Arbeitskraft zu ihrer Gewinnung benötigen, die für einzelne Länder ausreichend vorhanden sind, und die natürlich ebenso die Beherrschung der Naturkräfte voraussetzen. Warum z.B. ist Neuseeland, das ebenso auf dem pazifischen Feuerring liegt, den Weg gegangen, diesen Feuerring auf seine Weise für die Menschheit zu nützen? Nämlich die Erdwärme, die unter seinen Füßen brodelt wie in Japan, in umfassender Weise für die Energiegewinnung nicht nur des ganzen Landes, sondern auch für andere Länder zu nutzen. Also eine Energiequelle der Menschheit nutzbar gemacht hat, die in einzelnen Ländern möglich ist, und die ganz und gar nicht die Atomkraft außer Kraft setzt, die aber in diesem Land für nicht notwendig betrachtet wird, weil die Erdwärme weniger Arbeitskraft benötigt, sie zu gewinnen. Japanische Geologen wie eine kleine japanische Bewegung waren und sind seit langem der Ansicht, daß es vollkommen falsch ist in Japan, ausschließlich auf die Atomenergie in Japan zu setzen statt, wie Neuseeland, die unter seinen Füßen tobende Energie für die Menschheit zu nutzen. Diese Energiegewinnung bedarf aber der Beherrschung der Naturgesetze. Denn falsch angewandt ist sie nicht weniger beherrschbar oder unbeherrschbar wie Atom. Darin, in dieser Frage, bestand im Zentralkomitee keine völlige Einheit. Die Ursache liegt darin, daß die naturwissenschaftlichen Gegebenheiten und das nötige Wissen sicher im Zentralkomitee nicht so vorhanden ist wie bei denen, die damit wissenschaftlich und technisch arbeiten. Einig ist sich das Zentralkomitee, daß die Atomenergie weiterhin unabdingbar ist für die Entwicklung der Produktivkräfte und der Menschheit. Und einig ist man sich auch darin, daß sie ganz und gar nicht die einzige Entwicklung zur Beherrschung der Naturkräfte und zur Gewinnung der Energie ist und bleibt.

Die Antwort auf die Frage der Energieversorgung ist immer eine zeitweilige, bedingte, vom Stand der Produktivkräfte und der Erkenntnis der Gesetze der Natur abhängige. Eine wirkliche Weltökonomie, der Kommunismus also, die gezwungen wäre, für eine bestimmte Zeit eine durchaus mit Risiken behaftete Technologie der Energieversorgung zu benutzen, weil sie z.B. die wesentlich sicherere Technik der Kernfusion noch nicht vollständig zu verallgemeinern weiß - eine solche Gesellschaft würde sehr genau prüfen und planen, wohin sie Kernkraftwerke baut und wie. Sie würde umfassend alle möglichen Auswirkungen eines Kraftwerkbaus auf die gesamte Natur und Gesellschaft untersuchen, soweit ihr das irgendwie möglich wäre. Selbst der Imperialismus z.B. in Japan könnte, wie gezeigt, die Naturgesetze in einer Weise ausnutzen, also in einem Umfang beherrschen, die eine Katastrophe wie in Fukushima weitgehend hätte verhindern können. Es sind seine kurzsichtigen Profitinteressen, die das verhindert haben. Aber nicht nur das. Es ist die Konkurrenz unter den Imperialisten, es sind ihre drohenden Kriege untereinander, es ist ihr Streben danach, so viel wie möglich Energiequellen unter ihrer vollständigen nationalen Kontrolle zu haben, die zu dieser japanischen Katastrophe geführt haben - nicht als eine Katastrophe der Kernenergie, schon gar nicht "des Atoms", sondern zu einer kapitalistischen Katastrophe.



Zentralkomitee

20.3.2011

1 "Für Atomenergie und Sozialismus!" Resolution, beschlossen vom Zentralkomitee des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD, Februar 1977. Abgedruckt in: 10 Jahre Antwort auf die Frage "Was tun?", München 1980, S. 192.

2 "Daher stellt sich die Menschheit immer nur Aufgaben, die sie lösen kann, denn genauer betrachtet wird sich stets finden, daß die Aufgabe selbst nur entspringt, wo die materiellen Bedingungen ihrer Lösung schon vorhanden oder wenigstens im Prozeß ihres Werdens begriffen sind." (Karl Marx: Vorwort zu den Grundrissen der Politischen Ökonomie)

3 Als im Juli 2007 in der Nähe von Niigata ein Erdbeben der Stärke 6,8 eines der größten Kernkraftwerke der Welt (Kashiwakazi-Kariwa) erschütterte, stellte sich bereits heraus, daß diese Anlage für ein Beben selbst dieser Stärke nicht konstruiert war. (Financial Times, 14.3.2011)