"Globalisierung" und "Neoliberalismus"

DER KAPITALISMUS ERLEBT KEINEN NEUEN FRÜHLING -

ER STIRBT UNWEIGERLICH






Liebe Kollegen, Freunde, Genossen,


der Arbeiterbund für den Wiederaufbau der KPD grüßt Eueren Kongreß, der so überaus notwendig ist. Die Arbeiter, die Werktätigen der ganzen Welt, die unterdrückten Völker, sie können und müssen sich beraten, sich zusammenschließen gegen die Handvoll Monopolisten und Imperialisten, die zum Fluch für den ganzen Erdball geworden sind und deren Freiheit für uns nichts als Unfreiheit, Knechtung und Unterdrückung bedeutet.





I.

Unter der wehenden Fahne von "Neoliberalismus" und "Globalisierung" wollen die paar Dutzend Milliardäre, denen über die Hälfte der Weltreichtümer gehören, das knappe Hundert der Konzerne, denen ein Drittel der Produktionsmittel dieser Erde gehören, zu neuen Siegen aufgebrochen sein.

Liberalismus - ihre grenzenlose Freiheit: Triumph des Marktes über den Plan, "Rückzug des Staates aus der Wirtschaft" und Privatisierung, völlige Freiheit der Bewegung von Kapital und Arbeitskraft, Sieg der Marktkonkurrenz über die Gewalt, der Freiheit über Protektionismus und Restriktion?

Wie das aussieht, das hat unser Hauptfeind, der deutsche Imperialismus, vorexerziert. Er annektierte ein Land, die Deutsche Demokratische Republik, dessen Volk sich die Freiheit genommen hatte, aus der Herrschaft der deutschen Monopole und ihres Staates auszubrechen. Die Freiheit, die er brachte, war, wie die deutschen Imperialisten es selber nannten, die "größte Privatisierungsaktion der Geschichte", und sie war der blanke, gewalttäige Raub. Diese "Privatisierungsaktion" wurde durchgeführt, indem die deutschen Monopole ihren Staatsapparat zur Gewalt benutzten, sich dadurch die Reichtümer der Werktätigen der DDR aneigneten, ihre Kollektive zum Nutzen der deutschen Großbanken neuer Zinsknechtschaft unterwarfen, Millionen von Werktätigen außer Kurs setzten und auf die Straße warfen, drei Viertel der Industriekapazität der DDR in wenigen Jahren vernichteten und so dem Volk die materiellen Grundlagen seiner Freiheit entrissen. Das war ihr Liberalismus, war ihre Freiheit in Aktion. So wurde und wird sie noch jeden Tag gegen die Völker Osteuropas begangen, deren Lebensgrundlagen keineswegs in "freiem Wettbewerb" niederkonkurriert, sondern deren Ökonomien unter Einsatz politischer und militärischer Gewalt vom einfachen Akt der Piraterie über Hungerembargos bis hin zur Zerschlagung ihrer Staaten zerstört werden.

"Der Markt ist der große Regulator, der Markts wird’s richten", behaupten die Vertreter der aus der freien Konkurrenz herausgewachsenen Monopole. "Der Markt" mag ja eine große Sache gewesen sein, als sich die Pfahlbürger und kleinen Zunfthandwerker des Mittelalters aus dem Mist zu nationalen Kapitalisten herausarbeiteten. Am Ende dieser Epoche werden sich die Völker nicht mehr mit diesem kleinkarierten Mittelchen abspiesen lassen, und die großen Kapitalisten glauben selber nicht mehr dran und ersetzen den Markt durch die Gewalt.

Mehr Freiheit, mehr Markt und weniger Staat? Immer größere Monopole, Konzerne und Trusts kämpfen um die Aufteilung und Neuaufteilung der Welt. Ihre Konkurrenz ist weltweit - ihre Machtmittel sind es nicht. Die Entwicklung der Produktivkräfte im Imperialismus hat die Grenzen des Nationalstaats gesprengt. Die Konzentration und Zentralisation des Kapitals hat solche Ausmaße erreicht, daß die größten der Monopole stark genug sind, auch jene gesellschaftlichen Sektoren ihrer privaten Profitmaximierung zu unterwerfen, die bis dahin ihr geschäftsführender Ausschuß für sie alle verwaltete: die Massenverkehrsmittel, die Telekommunikation, die Post. Das bringt den Staat nicht zum Verschwinden. Es reduziert ihn mehr und mehr auf das, was er seinem Wesen nach ist: Gewaltenapparat der herrschenden Klasse, nach innen und nach außen. Der bürgerliche Nationalstaat ist jener Träger politischer und militärischer Gewalt, auf den die privaten Produktionsmittelbesitzer in ihrem weltweiten Kampf immer wieder zurückgreifen, um eben diese politische und militärische Macht ihrer Konkurrenten zu vernichten. Daraus wird der Krieg geboren. Er wird vorbereitet in der Herstellung von regionalen Machtblöcken imperialistischer Staaten, um deren Führung bereits der heftigste Kampf unter ihnen entbrennt. So heißt die "neue Freiheit" in Europa: Der reichste und mächtigste Imperialismus, der deutsche, greift die Souveränität nicht nur der kleinen Völker, sondern selbst der kleinen und mittleren Imperialisten in Europa an und zerschlägt sie. Das ist der "Neoliberalismus", wie ihn z.B. der deutsche Imperialismus praktiziert. Das hat schon einmal dazu geführt, daß Europa "geeint" wurde: mit der äußersten Gewalt und unter dem Stiefel der Nazis. (Es ist kein Zufall, daß nach der Niederlage des deutschen Imperialismus im letzten Weltkrieg sich ein großer Teil der alten Faschisten in einer Partei organisierte, die mit dem Etikett des Liberalismus hausieren ging.)

Im imperialistischen Kampf darum und dagegen, im Kampf um die Herstellung solcher imperialistischer Machtblöcke wie zwischen diesen Machtblöcken, herrscht eben nicht Freiheit, Gleichheit, Konkurrenz und freier Fluß von Kapital und Arbeit. Da herrscht Abschottung und Protektionismus. Im Ergebnis kennen nach Angaben der OECD nur vier kapitalistische Länder - und es sind nicht die größten - am Ende dieses Jahrzehnts weniger Protektionismus, Abschottung und Staatseingriffe in die Außenwirtschaft als an seinem Beginn.

Von der "freien Bewegung" der Arbeitskraft wollen wir gar nicht sprechen. Anfang dieses Jahrhunderts gab es weniger Hemmnisse für Arbeiter, ihr Land zu verlassen und die Arbeitskraft jenseits der Grenze zu verkaufen als am Ende dieses Jahrhunderts. Die freie Bewegung von Millionen Menschen kennt der Imperialismus nur in der Form der Flüchtlingsströme tatsächlich von allen Existenzmitteln freigesetzter Menschen.





II.

Am Ende ihrer geschichtlichen Existenz wendet sich die Bourgeoisie gegen ihr eigenes Lebenswerk. Nachdem sie den Weltmarkt hergestellt hat, zerschlägt sie ihn wieder. Sie verkümmert ihn zu Regionalmärkten in der imperialistischen Konkurrenz der großen Macht- und Wirtschaftsblöcke. (Ein immer größerer Teil des Welthandels ist Handel innerhalb dieser großen Blöcke.) Ein immer größrer Teil der Weltbevölkerung wird ausgegrenzt: der Anteil Lateinamerikas und Afrikas am Welthandel war Anfang dieses Jahrhunderts größer als heute. Ein Drittel der ihrer Produktionsweise Unterworfenen kann diese Bourgeoisie nicht einmal mehr ausbeuten: Die Erwerbslosen allein der 24 OECD-Länder ergäben aneinandergereiht eine Menschenkette, die einmal um die Erde reicht - auch eine "Globalisierung"! Was so zur weltweiten Erscheinung geworden ist, ist dies: Die Bourgeoisie kann ihren Sklaven nicht einmal mehr die Existenz innerhalb der Sklaverei sichern. Was zur weltweiten Tatsache geworden ist ist die Überflüssigkeit und der Bankrott der Bourgeoisie, die Fäulnis ihrer Produktions- und Austauschweise.

Vor diesem Hintergrund stürmen die großen Monopole auf der Jagd nach Maximalprofit und im Kampf gegen den Fall der Profitrate um die Welt. Sie versuchen, Arbeiter aller Herren Länder auszubeuten, sich die noch funktionierende Ausbeutung streitig zu machen und sich dazu in vielen Ländern einzunisten. (Ein Indiz dafür ist, daß inzwischen ein Drittel des Welthandels aus konzerninternen Güterströmen besteht.) Was sich in den großen "transnationalen" Konzernen bestätigt ist die Dominanz des Kapitalexports über den Warenexport im Stadium des Imperialismus. Erstaunlich ist allenfalls, wie erbärmlich und wenig wirkungsvoll die selbst den größten Monopolen zur Verfügung stehenden Mittel sind. Wie wenig der Kapitalexport in der Lage ist, Länder von der Größenordnung etwa der ehemaligen Sowjetunion den Bedingungen kapitalistischer Ausbeutung zu unterwerfen. Erstaunlich ist allenfalls, wie wenig weltweit dieser Kapitalexport ist: zum einen erfaßt er recht wenige Produktionszweige (Chemie, Elektro, Automobile); zum anderen verbleibt er zu einem immer größeren Teil innerhalb der Zentren der imperialistischen Machtblöcke, die sich gegeneinander zunehmend abschirmen. Das Ende vom Lied ist die immer zunehmende Konzentration des kapitalistischen Reichtums auf einige wenige Regionen der Welt.

Die Handvoll Monopolisten auf der Welt wird immer reicher, und ein immer größerer Teil ihres Reichtums besteht aus Geld. Aber sie sind wie der sagenhafte König Midas, dem alles, was er anfaßte, zu Gold wurde: er verhungerte. Was in den Billionen von Dollars zum Vorschein kommt, über die diese "Genies der Finanzmachenschaften" (Lenin) verfügen, ist die Verfügung über gesellschaftliche Arbeitszeit, mit der die kapitalistische Produktionsweise nichts mehr anzufangen weiß. Sie wirft sie in die Spekulation, auf das Feld der finanziellen Erpressung, der Strangulierung ganzer Völker durch das Leihkapital und seine Institutionen. Sie bemächtigt sich vermittels der Staatsschuld der vergangenen wie der zukünftigen Arbeit der Werktätigen. Und das geht, bis die ganze Blase platzt, sie im Graben des jeweils nächsten Krachs landen und die Arbeit von Millionen und Abermillionen wieder einmal vernichtet ist.





III.

Was unter unseren Augen vor sich geht, ist keine neue Jugendblüte des Kapitalismus. Es ist sein Todeskampf, seine Fäulnis. Wie die Marktschreier ihrer Werbung erfinden die Kapitalisten dafür immer wieder neue, schöne Wörter: "Neoliberalismus" ist eines davon, und "Globalisierung" ist ein anderes. Wir nennen, was ist, mit dem Begriff, den die Bourgeoisie selbst am Ende des vergangenen Jahrhunderts in einem Anfall von Wahrheitsliebe geprägt hat: Imperialismus. Und wir ergänzen ihn mit dem, was der historische Materialismus darin gefunden hat: Es ist sterbender, in Fäulnis übergegangener Kapitalismus.

Die Antwort der Arbeiter und der Völker der Welt kann und wird nicht die sein, die ihre Herren gerne hören möchten, der Nationalismus, das Bündnis mit den eigenen Herren. Der imperialistische Kosmopolitismus (und um nichts anderes in neuem, schäbigem Gewand handelt es sich bei dem, was als Globalisierung angepriesen wird) hieß immer: Gewalt, Herrschaft, Unterdrückung und Reaktion. Die Antwort kann und wird der Internationalismus sein. Arbeiter aller Länder und unterdrückte Völker, vereinigt euch! Das wird die Antwort sein. Deswegen begrüßen wir diesen internationalen Kongreß und wünschen ihm den größten Erfolg.

Wie die Antwort der Völker Europas die Allianz der Völker gegen den aggressivsten europäischen Imperialismus, den deutschen sein wird, die Allianz der Völker gegen Deutschland, so wird die Antwort der lateinamerikanischen Völker der Kampf gegen den US-Imperialismus sein. Die Völker werden dazu ihre eigenen Herren bekämpfen und besiegen müssen. Sie können und werden diesen Kampf gewinnen. Denn ihr Feind selbst hat diesen Sieg vorbereitet. Wo die Reichtümer der Welt in den Händen so Weniger konzentriert sind; wo die staatlichen Ausschüsse der Kapitalisten (wie das japanische MITI) Produktionspläne für ganze Kontinente ausarbeiten, da ist der Boden längst bereitet für Ökonomie und Herrschaft der Werktätigen der Welt, für die sozialistische Weltrepublik.



Arbeiterbund für den

Wiederaufbau der KPD

Juni 1997