Ausländerfeindlichkeit das ist: Arbeiterfeindlichkeit

»... Heute machen unsere Ausbeuter den Rassismus zu einem legalen Instrument ihrer Herrschaft. Das zeigt: Die Bourgeoisie wird nicht stärker, sie wird schwächer. Sie hat Angst, daß sie irgendwann einmal nicht mehr mit den alten Methoden des Parlamentarismus und der bürgerlichen Demokratie herrschen kann. Deshalb legalisiert sie den Rassismus. Deshalb legalisiert sie die Diskriminierung eines Teils unserer Klasse - und damit unserer ganzen Klasse. Die Gesetzlosigkeit soll Gesetz werden. Das alles geschieht nicht auf einmal, sondern Schritt für Schritt.Wir müssen die Richtung erkennen: Schritt für Schritt wird die Zerstörung der bürgerlichen Demokratie legalisiert und erleichtert, Schritt für Schritt der Staatsapparat vorbereitet für die Machtübernahme des Faschismus. Es gibt eine Erfahrung, die wir nicht vergessen dürfen: Vor der Errichtung der faschistischen Diktatur führen die bürgerlichen Regierungen in der Regel eine Reihe von Maßnahmen durch,die den Machtantritt des Faschismus vorbereiten und unmittelbar fördern. ... Wer zu dieser Zeit nicht gegen die reaktionären Maßnahmen der Bourgeoisie und gegen den anwachsenden Faschismus kämpft, der kann auch den Sieg des Faschismus nicht verhindern. Der fördert ihn vielmehr.
Was fürchten unsere Herren denn? Ich bin Türke. Ich bin Arbeiter. Du bist Deutscher.Du bist Arbeiter. Wir werden beide ausgebeutet und unterdrückt von demselben Herren. Aber wir sollen nicht an demselben Tisch sitzen und beide eine Tasse Kaffee trinken?
Du sollst wieder zum Herrenvolk gehören und ich zu den Untermenschen. Wir Arbeiter sollen uns gegenseitig verachten und nicht gemeinsam gegen unsere Ausbeuter gehen. Wir Arbeiter sollen uns gegenseitig schwächen. Das verschafft der Reaktion, den Faschisten mehr Freiheit, sich zu bewegen. Unsere Herren haben uns an dieselbe Maschine, in dieselbe Fabrik gesteckt. Sie fürchten, daß wir das nutzen. Sie fürchten unsere Einheit. Deshalb schüren sie den Rassismus. Rassismus - das ist die primitivste und zugleich schärfste Methode zur Spaltung der Arbeiterklasse, zur Spaltung der Arbeitereinheit, der Arbeiterbewegung, der internationalen Solidarität.Ausländerfeindlichkeit - das ist: Arbeiterfeindlichkeit. Nichts anderes ...
Du glaubst an die Stärke der bürgerlichen Demokratie. Aber auch deine Demokratie geht daran kaputt. Nicht nur ich, ein türkischer Arbeiter, muß aufpassen. Auch du mußt aufpassen. Heute geht es gegen die Türken. Morgen gegen die Arbeiter, gleichgültig ob türkisch oder deutsch. Und übermorgen geht es dann gegen jeden demokratischen Menschen, gleichgültig welche Rasse, gleichgültig welche Klasse.
Heute sind die ausländischen Arbeiter noch hier. Morgen sind sie schon wieder zurückgegangen in ihre Heimatländer. Aber mit ihnen zusammen verschwindet nicht das Problem des Rassismus und der Spaltung der Arbeitereinheit. Wir müssen den westdeutschen Arbeitern zeigen: Der Rassismus trifft euch, die zurückbleiben, euch selber, euch zuerst!
Erkennt eure Lage - verteidigt gemeinsam mit den ausländischen Arbeitern die Einheit unserer Klasse. Wir müssen die bürgerliche Demokratie schützen gegen den Rassismus, gegen das schrittweise Anwachsen des Faschismus.Wir müssen gerade in diesem Kampf die Kraft, die Klarheit und die Bewegungsfreiheit bekommen, um die demokratische Diktatur der Ausbeuterbourgeoisie anzugreifen, um an ihre Stelle unsere Arbeiterdemokratie, die Diktatur des Proletariats zu setzen. »

Aus der Erklärung eines türkischen Delegierten auf der IV. Delegiertenkonferenz des Arbeiterbunds für den Wiederaufbau der KPD, Februar 1985